„Für mich ist das eben das Schöne an Wagner. Ich verstehe ihn genauso wenig, wie ich Afrika verstehe.“ - Christoph Schlingensief im Gespräch mit Alexander Kluge, 1999
Seit der zweiten Jahreshälfte 2014 beschäftigen wir uns im Iwalewahaus intensiv mit den Arbeiten Christoph Schlingensiefs und dem, was wir die „Methode Schlingensief“ nennen: die am Prozess und weniger am Ergebnis orientierte, geradezu ergebnisoffene und experimentierfreudige künstlerische Praxis. Diese Arbeitsweise lebte Schlingensief als Filmemacher, Aktionskünstler, Theater- und Opernregisseur und bildender Künstler in Berlin, Wien, Bayreuth, Manaus in Brasilien, Lüderitz in Namibia, in Simbabwe oder Burkina Faso.
Neben der Methode Schlingensief sind es zwei Themenstränge im Werk von Christoph Schlingensief, die er seit den 90er Jahren verfolgte und auf die wir uns – als Bayreuther Kunstinstitution mit einem Fokus auf dem afrikanischen Kontinent – konzentrieren wollen: der geträumte Kontinent Afrika und der Mythos Richard Wagner.
Schlingensief reist 1993 das erste Mal nach Simbabwe, dort dreht er den Film United Trash (1995). Auf der Deutschlandsuche ’99 eine Wagner-Rallye (1999) macht er mit seinem Team auch Station in Namibia, wo ein paar Jahre später die Aufnahmen zu seinem letzten großen Filmprojekt The African Twin Towers (2005) folgen. Im Februar 2010 legt er den Grundstein für das Operndorf Afrika, ein in jeder Hinsicht Grenzen sprengends Projekt, das seither in der Gemeinde Ziniaré in Burkina Faso umgesetzt wird.
Bereits im Theaterstück Die Berliner Republik oder der Ring in Afrika (1999) lässt Schlingensief Kanzler Gerhard Schröder in den Wahn verfallen, nun endlich Wagners Ring des Nibelungen in Afrika aufführen zu wollen. 2001 veröffentlicht die Deutsche Grammophon eine CD mit einigen von Schlingensief ausgewählten Kompositionen Wagners als Christoph Schlingensief trifft Richard Wagner. Schlingensiefs Auseinandersetzung mit Wagner wird schließlich gekrönt durch seine Berufung für die Inszenierung des Parsifal während der Bayreuther Wagner-Festspiele 2004 – 2007. Auch nach der Zeit in Bayreuth lässt er Wagner nicht los und inszeniert Der Fliegende Holländer (2007) in Manaus.
Entscheidend ist, dass Schlingensief die beiden großen Motive Afrika und Wagner nicht nur parallel verhandelte, sondern sie immer wieder auch zusammenführte. Schwerpunkt unseres Forschungsprojekts sind demnach auch die komplexen Verwebungen im weit verästelten Schaffen Schlingensiefs. Die Verbindung von Wagner und Afrika scheint zunächst ungewöhnlich, offenbart aber Einblicke und generiert Fragestellungen, die erst durch die Kombination beider Themen hervortreten.
In unserem Forschungsschwerpunkt wollen wir uns von den folgenden Fragestellungen leiten lassen:
Um diese Fragen zunächst aus wissenschaftlicher Perspektive aufzugreifen, fand vom 4. - 6. Dezember 2015 die internationale Tagung Art of Wagnis. Christoph Schlingensief's Crossing of Wagner and Africa am Iwalewahaus statt. Darauf aufbauend erschien im Juli 2017 ein Sammelband, der neben den Konferenzbeiträgen weitere künstlerische Beiträge und Interviews mit Bayreuther Zeitzeugen der Parsifal-Inszenierung enthält.
19.07.2017, Performance von Daniel Kojo Schrade (Amherst)
FEIREFIZ – re-inscribing AFRICA in richard wagner's PARSIFAL
25.01.2017, Couchgespräch mit Aino Laberenz (Berlin)
Die Oper als Gefäß – Das Operndorf Afrika vorgestellt von Aino Laberenz
08.07.2015, Videoschnipselvortrag von Sami Qaiser (Lüneburg)
Zwei wache Geister – Alexander Kluge im Gespräch mit Christoph Schlingensief
14.01.2015, Vortrag von Dr. Frank Piontek (Bayreuth)
Auf Gralssuche in Bayreuth – Christoph Schlingensiefs Parsifal
(Skript zum Vortrag)
10.12.2014, Vortrag von Voxi Bärenklau (Berlin)
Zum Raum wird hier die Zeit – Der Animatograph als zentraler Monolith im bildnerischen Werk von Christoph Schlingensief
(Zeitungsinterview zum Vortrag)
19.11.2014, Filmvorführung der Dokumentation
The African Twin Towers
Radiobeitrag zum Projekt in Schalltwerk on Galaxy vom 20.01.2015
Wagner Rallye 2004 (c) Richard von Seydewitz
The African Twin Towers by Christoph Schlingensief, 2005 (c) Aino Laberenz / Filmgalerie451
Baustelle des Operndorf Afrika im Januar 2014 (c) Frieder Schlaich